Açaí, Chia, Goji, Haskap, Maqui, Moringa oder Spirulina - was steckt genau hinter den exotischen Früchten und Samen?
Was steckt hinter der Werbung zu Superfoods?
Superfoods werden allerlei gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Meist sollen sie verschiedenen Krankheiten vorbeugen und zudem satt und schlank machen. Besonders herausgestellt wird ihr antioxidatives Potential. Kein Wunder also, dass für 48 % der Bevölkerung Superfoods zu einer gesundheitsbewussten Ernährung dazugehören.
Für die beworbenen gesundheitsfördernden Eigenschaften fehlen weitgehend wissenschaftliche Nachweise. Die meisten Aussagen zu Superfoods stammen von gewerblichen Anbietern, einzelnen Beratern oder Interessengruppen. Dabei überwiegen Anekdoten und Erfahrungsberichte. Scharlatanerie ist weit verbreitet. Gesicherte Daten zu Enzym-Gehalten oder den Mengen einzelner sekundärer Pflanzenstoffe fehlen in der Regel, Folge: Superfoods sind oft einfach nicht ausreichend untersucht, um sie gesundheitlich bewerten zu können.
Auch bei Superfood-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln ist der ausgelobte Gesundheitsnutzen meist nicht wissenschaftlich nachgewiesen und die genaue Zusammensetzung oft nicht bekannt. Die in den Produkten hervorgehobenen Vitamine und Mineralstoffe sind nicht selten künstlich hinzugefügt.
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart konnte bei Untersuchungen im Jahr 2017 zeigen, dass 90 % der überprüften Proben Mängel in der Kennzeichnung aufwiesen. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um fehlende Mengenangaben zu beworbenen Nährstoffen oder um die Verwendung unzulässiger nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben. Das gilt im Prinzip auch weiterhin.
Superfoods können ‒ sofern sie nicht gerade in Kapselform verzehrt werden ‒ den Speiseplan durchaus bereichern und ganz neue Geschmackserlebnisse vermitteln. Ein gesundheitlicher Mehrwert im Vergleich mit der Vielzahl heimischer Gemüse und Früchte ist aber nicht zu erwarten.
Was als Superfood zählt, unterliegt aktuellen Trends. Derzeit zählen dazu beispielsweise Açaí, Aronia, Chia, Goji, Haskap, Kale (Grünkohl), Maqui oder Moringa, früher waren es auch Spirulina, Noni oder Aloe vera.
„Superfood ist ein Marketingbegriff, der gesetzlich nicht reguliert ist. Er beschreibt (teure) Lebensmittel und Nahrungsergänzungen mit (zumeist) vorgeblichen Gesundheitsaussagen (Health Claims), die auf schwacher wissenschaftlicher Evidenz beruhen.“
Prof. Dr. Marc Birringer, Hochschule Fulda, auf der Veranstaltung „Super(?)foods and Supplements – Risky or Healthy?” am 30.06.2022 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Auf was sollte ich bei der Verwendung von Superfoods achten?
- Entscheidend ist nicht der absolute Nährstoff-Gehalt pro 100 Gramm, sondern die Menge in einer üblichen Portion. So enthält Spirulina zwar über 60 Prozent Eiweiß. Bei einer Portionsgröße von 6 Gramm sind das aber eben nur 3,6 Gramm. Und eine Portion getrockneter Goji-Beeren (25 Gramm) enthält mit 12 Milligramm weniger Vitamin C als eine Portion gegarter Rosenkohl (150 Gramm - 114 Milligramm Vitamin C).
- Gegen Superfoods in Form von Früchten und Samen frisch, getrocknet oder als Püree ist ernährungsphysiologisch gesehen nichts einzuwenden. Allerdings bergen exotische Lebensmittel (egal ob pur oder als Extrakt) immer ein gewisses Risiko, Überempfindlichkeitsreaktionen bzw. Allergien auszulösen. Auch Kreuzallergien sind möglich. so können Birkenpollenallergiker:innen auch auf Apfel, Pfirsich, Pflaume, Nektarine, Kiwi, Kirsche, Birne, Mandel, Haselnuss und andere Nüsse, Karotte, Sellerie, Kartoffel (roh), Soja oder Litschi reagieren. Die Pollen von Beifuß und zum Beispiel Litschi und Anis sind sich ähnlich. Wer auf Latex reagiert, reagiert möglicherweise auch auf Avocado, Kiwi, Ananas oder Feige. Eine Übersichtstabelle gibt es auf der Seite des Allergie-Infoportals ECARF, auch wenn diese keine selteneren bzw. neueren Superfoods beinhaltet.
- Zudem sind Wechselwirkungen von Superfood mit Arzneimitteln möglich. So sollte, ähnlich wie bei der Grapefruit, auch zwischen dem Verzehr von Granatapfelprodukten und der Einnahme von Arzneien ein zeitlicher Mindestabstand eingehalten werden, um veränderte Wirkungen auszuschließen. Gojibeeren sind selbst in Form von Konfitüre problematisch für Personen, die bestimmte Gerinnungshemmer ("Blutverdünner") einnehmen.
- Vor allem bei Anreicherungen ist Vorsicht geboten. Für Extrakte und Zubereitungen im Lebensmittelbereich gibt es keine Standardisierungen wie bei Arzneimitteln. Mangostane-Extrakt A und Mangostane-Extrakt B sind also nicht mit einander vergleichbar. Und was als Lebensmittel in normalen Mengen kein Problem ist (etwa Zimt), kann durch die Aufkonzentrierung bestimmter reizender oder toxischer Stoffe (Zimtaldehyd, Cumarin) gesundheitlich problematisch werden. Dazu hat das Bundesinstitut für Risikobewertung schon vereinzelt Untersuchungen und Einschätzungen des Risikos vorgelegt und warnt in einer Pressemitteilung: „Manche Superfood-Produkte, wie bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, bestehen […] aus Extrakten oder Zubereitungen aus pflanzlichen Superfoods, die möglicherweise gesundheitsschädigende Substanzen in konzentrierter Form enthalten können. Fehlende Standards bei Extraktionsverfahren bzw. teils unzureichende Daten aus Studien können die gesundheitliche Bewertung dieser Produkte erschweren. Sie sind daher nicht mit den pflanzlichen Superfoods gleichzusetzen, aus denen sie gewonnen wurden.“
- Bei der Entscheidung für ein Superfood sollte man neben Aspekten der Gesundheit unbedingt auch den Einfluss von Superfood auf die Umwelt und Gesellschaft in den Anbauregionen bedenken. Die langen Transportwege, teilweise per Flugzeug oder (tief)gekühlt, sorgen für eine schlechte Klimabilanz zahlreicher exotischer Superfoods. Und wenn traditionelle Lebensmittel wie Quinoa plötzlich zum Superfood werden, kann das dazu führen, dass statt kleinbäuerlicher Landwirtschaft plötzlich riseige Monokulturen entstehen. Die erhöhte Nachfrage führt außerdem zu höheren Preisen, so dass sich die Bevölkerung ihr ureigenstes Lebensmittel unter Umständen nicht mehr leisten kann.
Was sind Superfoods?
Superfoods sind schon seit einiger Zeit auf dem Markt. Dennoch gibt es bisher keine offizielle Definition oder gesetzliche Regelung. Als "Superfoods" werden meist natürliche und exotische Lebensmittel mit einem höheren Gehalt an Vitaminen und/oder Mineralstoffen sowie sekundären Pflanzenstoffen angeboten. Sie werden selten frisch, sondern meist getrocknet, als Püree oder Extrakt verkauft. Es gibt sie auch als Anreicherung in funktionellen Lebensmitteln (etwa Brötchen mit Chiasamen) oder in Kapsel- und Pulverform als Nahrungsergänzungsmittel. Außerdem finden Superfoods - oft als Pulver - Einsatz als Zutat für besonders "gesunde" Rezepte (zum Beispiel für Müslis, Smoothies, Riegel).
Wenn Sie Superfoods ausprobieren möchten, vergewissern Sie sich vorab, ob es beim angepriesenen Produkt um die "echten" Früchte bzw. Samen geht, oder ob es sich lediglich um eine (meist nur in Kleinstmengen vorhandene) Zutat in einem Lebensmittel handelt. Oft waren zahlreiche Verarbeitungsschritte nötig, um das Superfood genießbar zu machen, etwa Extraktion, Trocknung, Zugabe von (reichlich) Zucker, Dextrose bzw. Maltodextrin oder Aromen. Achtung: Mengenangaben zum Zuckergehalt sind bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht vorgeschrieben.
Welche Inhaltsstoffe sind in Superfoods enthalten?
Meist sind Superfoods pflanzliche Lebensmittel, die von Natur aus hohe Gehalte an einzelnen Mikronährstoffen, Enzymen und sekundären Pflanzenstoffen aufweisen. Die frischen Super-Beeren, -Körner oder -Blätter sind anfänglich meist reich an wertvollen Inhaltsstoffen, doch der Transportweg von den Anbaugebieten in exotischen Ländern bis in den deutschen Supermarkt ist lang. Die Produkte werden oft zu früh geerntet, teilweise stark verarbeitet oder liegen wochenlang in Schiffscontainern. Es ist daher fraglich, wie viel von den beworbenen Inhaltsstoffen tatsächlich noch beim Verbraucher ankommt.
Eine ausgewogene Nährstoffaufnahme lässt sich durch eine pflanzenbetonte vielfältige Ernährung sicherstellen. Es reicht nicht aus, sich in der Ernährung auf einige wenige Superfoods zu konzentrieren.
Können Superfoods mit Schadstoffen belastet sein?
Laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung glauben zwei von fünf Befragten, dass Superfood-Produkte auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit getestet werden, bevor sie in Deutschland erhältlich sind – das trifft so nicht zu.
Grundsätzlich ist der Hersteller dafür verantwortlich, dass sein Produkt sicher ist. Es kommt immer wieder vor, dass als Superfood verkaufte Beeren, Samen, Algen oder getrocknete Pflanzen mit Pestiziden, Schwermetallen (z.B. Arsen, Cadmium), mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Mineralöl oder krankmachenden Bakterien belastet sind. Bei Goji-Beeren werden regelmäßig Insektizide nachgewiesen, Produkte mit Meeresalgen enthalten häufiger viel zu viel Jod.
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart kommt 2022 zu dem Fazit, dass in der Gesamtschau eine deutliche Verbesserung der Rückstandssituation zu verzeichnen ist, die Situation aber noch nicht zufriedenstellend ist. Nach wie vor gibt es Produkte, die als gesundheitsschädlich und als nicht sichere Lebensmittel eingestuft wurden.
Weiterhin fallen zahlreiche unzulässigerweise mit dem als kanzerogen und mutagen eingestuften Ethylenoxid begaste Superfood-Pflanzenpulver und Nahrungsergänzungsmittel auf. Produktnamen finden Sie auf unserer Seite unter Verbraucherwarnungen.
Anstelle der Acai-Beere können heimische dunkle Beeren (Brom-, Holunder- Heidel- und Apfelbeere (Aronia) sowie Kirsche, rote Weintraube und Rotkohl gegessen werden, die ebenfalls mit hohen Gehalten an antioxidativ wirkenden Stoffen punkten. Leinsamen anstelle von Chia enthalten ebenfalls Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffe. Grünkohl, Spinat und Feldsalat ersetzen Spirulina und Moringa.
Besonders reich an sekundären Pflanzenstoffen sind auch Zwiebelgewächse (Zwiebel, Porree, Schnittlauch, Knoblauch), alle Kohlarten, Rettiche, Rote Bete, Hülsenfrüchte und Zitrusfrüchte, native Pflanzenöle, Kerne und Nüsse, aber auch Kartoffeln und (Vollkorn-)Getreide. Das meiste davon gibt es aus heimischem Anbau.