Gel aus Aloe-Vera-Pflanzen, Pulver aus Avocado- oder Aprikosenkernen werden schon lange gegen gutes Geld im Handel und im Internet als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Mit Hilfe von Blogs und Foren verbreitet sich das Selbstverwerten von angeblich gesundheitsförderndem Kern, Stumpf und Stiel im Internet. Unzählige Rezepte zur Nahrungsergänzung mit gemahlenen Obstkernen, geschnittenen Kirschstielen oder Fruchtfleisch aus Blättern der Aloe Vera kursieren zum Nachahmen im Internet.
Doch nicht jeder Kern und jeder letzte Pflanzenrest, der mit einer Küchenmaschine zu Pulver oder Brei verarbeitet und pur oder als hippe Zutat für Müsli oder Smoothie gegessen wird, ist dafür geeignet und gesund. Auch bei essbaren Pflanzen sind nicht immer alle Teile essbar.
Einige Pflanzenbestandteile enthalten gefährliche Stoffe, deshalb gehören sie in die Tonne und haben mit gesunder Nahrungsergänzung nichts zu tun.
Obstkerne: Menge und nicht die versprochene Wirkung macht es
Wenn Sie ein paar Apfelkerne, Kirschkerne oder Pflaumenkerne verschlucken, ist das kein Problem, müssen Sie bei der Aufnahme solch kleiner Mengen nichts befürchten. Doch zermahlen oder gekaut drohen bei Einnahme solcher selbst gemachter Nahrungsergänzungsmittel Gefahren. Für die in Blogs und Foren versprochenen gesundheitlichen Wirkungen gibt es zudem keinerlei gesicherte wissenschaftliche Belege. Die Werbung mit Heilversprechen für die im Handel erhältlichen Produkte ist deshalb auch verboten.
Obstkerne sollen gegen Krebserkrankungen schützen und reich an Vitaminen sein. Stattdessen enthalten bittere Aprikosenkerne ebenso wie Bittermandeln oder Kirschkerne Substanzen wie Amygdalin, die bei der Verdauung Blausäure freisetzen. In hohen Dosen kann Blausäure zu schweren akuten Vergiftungen mit Krämpfen, Erbrechen und Atemnot führen. Erwachsene sollten von daher nicht mehr als ein bis zwei bittere Aprikosenkerne pro Tag verzehren oder vorsorglich besser darauf verzichten. Kinder dürfen derartige Produkte schon gar nicht verzehren.
Kein Problem stellen Melonen oder Kürbiskerne dar, wobei da eher die Nährstoffe interessant sind als die (angebliche) Wirkung.
Bislang unbewiesen ist, ob das Innere von Avocados das Immunsystem stärken, Entzündungen vorbeugen, den Stoffwechsel und den Cholesterinwert ins rechte Lot bringen kann. Ob die in den Kernen enthaltenen Mengen an toxischem Persin und anderen Stoffen ungefährlich sind, kann aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung noch nicht ausreichend bewertet werden. Von einem Verzehr der gemahlenen Avocado-Kerne wird daher abgeraten.
Verderblicher Tee aus Kirschstielen
Die Gerbstoffe in Kirschstielen wirken angeblich schleimlösend bei hartnäckigem Husten und sollen beim Abnehmen helfen. Tatsächlich wirken sie vor allem entwässernd. Wenn Sie selbst gesammelte Kirschstiele als Tee aufbrühen wollen, sollten Sie darauf achten, dass die Stiele gut getrocknet sind. Sonst besteht die Gefahr von Schimmel und krebserregenden Schimmelpilzgiften. Sicherer ist es, fachkundig verarbeitete Kirschstiele in der Apotheke zu kaufen. Gemahlene Kirschstiele dürfen ins Beet oder auf den Kompost, aber nicht ins Essen.
Bedenkliche Aloe-Vera-Blätter
Die tropische Aloe Vera ist für die äußerliche Anwendung als Heilpflanze anerkannt. Für die Einnahme als Gel oder Saft gibt es keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen. Auch für eine Gewichtsreduktion liegen keine Belege vor.
Beim Verzehr aus selbst gezogenen Pflanzen (nur Aloe vera barbadensis Miller "Sweet", alle anderen Varietäten sind nicht zum Verzehr geeignet) muss darauf geachtet werden, dass nur das Innere des Blattes - also das Pflanzen-Gel - verwendet wird. Die Blattrinde muss sehr großzügig entfernt werden. Denn sie enthält zum einen stark abführende Anthrachinone. Zum anderen können Krebs erregende und Erbgut schädigende Wirkungen dieser Stoffe nicht ausgeschlossen werden. Sicherer - weil laut Gesetz frei von abführenden und krebserregenden Substanzen - ist ein als Lebensmittel verkauftes Aloe-Vera-Gel (Drink) aus Drogerie- oder Supermarkt.
Umgang mit Pflanzenteilen und -abfällen
Grundsätzlich sollte man auf die Eigenherstellung von Ess- und Trinkbarem aus Kernen und Stielen - auch aus dem eigenen Garten - besser verzichten. Ebenso ist vom Genuss solcher Produkte aus dem Internethandel eher abzuraten.
Blätter (oder Blüten) enthalten bei einigen Pflanzen, z.B. Tomaten oder Kartoffeln (Nachtschattengewächse), große Mengen von giftigem Solanin (bis zu 1 g/kg, etwa das 10fache des Gehalts in Kartoffeln).
Aber auch Blätter oder Stängel z.B. von Kohlrabi oder Radieschen sollten nicht einfach im Mixer landen, denn sie können sehr viel mehr Pestizide enthalten als die Knollen - so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Wenn überhaupt, dann nur gut gewaschene Bioware verwenden.
Größere Mengen roher Mangold oder Spinat (püriert oder als Pulver) können auf Dauer problematisch sein. Sie enthalten viel Oxalsäure, was wiederum langfristig zu einem Calcium-Mangel führen kann. Unter Umständen (bei täglich mehr als 180 mg Oxalsäure) kann es zur Bildung von schwerlöslichen Kalziumoxalatkomplexen kommen, die bei einer hohen Konzentration in der Niere auskristallisieren können und damit das Risiko für Nieren-, Harnleiter- bzw. Blasensteine erhöhen.
Rohes Kohlgemüse (Brassica) enthält bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, sogenannte goitrogene Substanzen, die die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse beeinträchtigen und die Produktion von Schilddrüsenhormonen negativ beeinflussen können. Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen (z. B. Schilddrüsenvergrößerung) und gleichzeitigem Jodmangel sollten daher einen häufigen und übermäßigen Verzehr von (rohem) Kohlgemüse vermeiden.
Grünkohlblätter enthalten darüber hinaus Raffinose, ein unverdauliches Kohlenhydrat, welches unverdaut oder nicht vollständig verdaut in den Dickdarm gelangt und dort von Bakterien abgebaut wird. Die dabei entstehenden geruchlosen Gase können zu erheblichen Blähungen führen. Abhängig von der Menge sind auch Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Völlegefühl bis hin zu Schmerzen im Oberbauch möglich.
Bestimmte Kräuter wie z.B. Borretsch, Huflattich oder Beinwell können leberschädigende, erbgutverändernde Pflanzengifte (Pyrrolizidinalkaloide) enthalten. Achtung auch beim Sammeln von Wildkräutern, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Besonders leicht ist das der Fall bei Bärlauch, Wiesenkerbel, Ackerminze, Löwenzahn, Sauerklee und Beinwell.
Neu im Angebot sind Wasserlinsen (Entengrütze). In der EU gelten Wasserlinsen als neuartiges Lebensmittel und benötigen als solches vor der Vermarktung eine Zulassung. Zwei Wasserlinsenarten (Wolffia globosa und Wolffia arrhiza) sind in der EU zugelassen und dürfen vermarktet werden. Die eigenständige Zucht von Wasserlinsen oder das Sammeln aus Teichen ist nicht ratsam, da sie abhängig von der Wasserqualität verschiedene Umweltkontaminanten aufnehmen können.
Zum Weiterlesen:
- Food-Upcycling: Blätter, Schalen und Kerne verwerten statt wegwerfen
- Von lecker bis nützlich: Ideen zur kreativen Resteverwertung
Quellen:
LGL Bayern: Oxalsäure- und Nitratgehalte in grünen Smoothies und Produkten mit Rhabarber – Untersuchungsergebnisse 2017, Stand: 29.03.2019 (abgerufen am 06.11.2023)
Lietzow J et al. (2022): Gemüse zum Trinken: Grüne Smoothies aus ernährungsphysiologischer und toxikologischer Sicht. Ernährungs Umschau 69 (8): M422-431
BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit): BVL-Report 16.3. Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2020. Monitoring – Gemeinsamer Bericht des Bundes und der Länder. 2022 (abgerufen am 06.11.2023)